Erstes Buch – Die sechs Seelensteine

~Kapitel I –Taverne "Zum rauschenden Wildbach"~

 „Es ist dunkel... sehr dunkel... in der Höhle des großen Baldivan - den Meister der Schatten... draußen ist helllichter Tag und dennoch dringt kein Licht in die Höhle hinein...

Es heißt, Baldivan sei gestorben und die unheimliche Schatten kämen aus seiner Höhle. Sie greifen jeden und alles an, was sich ihnen nähert. Sie müssen einen neuen Meister haben, denn die Angriffe sind nun gezielt gegen die Dörfer gerichtet.“ erzählte der Alte in der Taverne „Zum rauschenden Wildbach“ auf Anfragen einiger Fremden, die neu in der Gegend waren. „Die Höhle ist nicht weit von hier und auch wir werden von ihnen heimgesucht. Die Schatten kommen... zu jeder Zeit...“ Der Alte legte eine kurze Pause ein. Er war bereits sehr alt und in seinen Augen erkannte man Müdigkeit, doch die Vorkommnisse der letzten Tage beunruhigten auch ihn, der er schon so vieles miterlebt hatte und die Erzählungen der Uralten kannte. „Jeden Tag verschwinden Menschen und mehr Schatten kommen. In der letzten Nacht ist die Tochter des Bürgermeisters verschwunden... das arme Kind, kaum 18 Jahre ist sie und sollte in den nächsten Tagen verheiratet werden. Ein großes Fest war geplant und im ganzen Dorf und auch in den Nachbardörfern freute man sich auf die Feier. Doch ich weiche vom Thema ab... Man erzählt sich, dass die Schatten die Menschen für ein Ritual brauchen, um Baldivan wiederzubeleben... Dann wird wieder die Zeit des Chaos und des Todes anbrechen- “ Von der Straße her ertönten furchterregende Schreie und ließen alle im Raum schweigen. Der alte Mann seufzte und sprach leise und schon fast entmutigt: „Schon wieder haben sie jemanden geholt. Wenn doch jemand etwas gegen sie unternehmen könnte... Der Bürgermeister hat eine hohe Belohnung für diejenigen ausgesprochen, welche die Schatten für immer bannen.“

 

Während er erzählte, kamen immer weitere Fremde zum Tisch und hörten ihm zu, unter ihnen auch großer Mensch. Er war fast 2 Meter groß mit kräftigem Körperbau, blaue Augen leuchteten in seinem Gesicht und das dunkles Haar fiel auf seine Schultern. Er passte nicht ganz zu den anderen im Raum. Sein Aussehen glich trotz der Fellkleidung und dem schlichten Umhang irgendwie nicht dem der übrigen Abenteurern und Vagabunden, die sich hier öfter herumtrieben. Ein Zweihänderschwert, ein kleines Schild und seinen Rucksack, die sonst auf dem Rücken getragen wurden, ruhten nun an einer Wand. Er hielt nur sein Helm in der Hand, ein Dolch zierte seinem Gürtel und ein Amulett hing um seinen Hals. Doch zunächst kümmerte sich keiner darum. Die Geschichten des Alten waren viel interessanter und erst Recht die Aussicht auf eine Belohnung.

 

Auch eine junge Silberelbin mit langen blonden Haaren, spitzen Ohren und silbern schimmernder Haut befand sich für diese Nacht nicht unter freiem Himmel, wie sie es sonst bevorzugte. Sie saß statt dessen in der Taverne am knisternden Feuer, spielte leise Lieder auf ihrer Harfe, während sie aufmerksam dem Geschehen und den Gesprächen lauschte. Die Elbin wirkte sehr unscheinbar; kaum jemand würde sie wohl als eine Druidin oder gar Bardin mit Zauberkräften erkennen; man hielt sie für ein zartes zerbrechliches Mädchen, verrückt genug, alleine durch die Wälder zu ziehen. Dies wurde um so mehr durch ihre Kleidung verstärkt. Unter ihrem grünen Umhang mit eingewebten Blättern und goldenen Fäden, der in der Taverne bläulich zu schimmern schien, trug sie ein weites, helles Gewand. In ihrem Haar befand sich ein schlichter, silberner Reif mit kleinen fremdartigen Schriftzeichen, eine Kette mit einem Stein, der ein leichtes Leuchten aussandte, schimmerte unter dem Umhang hervor. Ihre restlichen Gegenstände hatte sie in einem Beutel und der Harfentasche untergebracht.

 Sie saß weiter am wärmenden Feuer und schaute zu der Ansammlung, die sich um den Bürgermeister gebildet hatte, und sah auch einen Menschen, der ihr adlig erschien unter all den "normalen" Kleidern eines Wanderers und Abenteurers.

Ein weiterer Mann betrat die Taverne und jemand aus der Menge um den Alten sagte: „Das ist unser Bürgermeister!“ Der adlige Wanderer erhob sich von seinem Stuhl, ging zum Bürgermeister und fragte: „Könnt Ihr uns mehr über diese „Schatten“ erzählen?“ Die Antwort des Bürgermeisters verriet Verzweiflung: „Ich weiß auch nicht mehr als der alte Mann, doch ich bitte Euch, helft unserem Dorf, lange werden wir nicht mehr überleben und vor allem meine Tochter...“ Der adlige Mensch, der ein gutes Herz hatte, wusste, wie verzweifelt der Bürgermeister war, da seine Tochter „geholt“ wurden war. Er sprach zum Bürgermeister: „Ich biete Euch meine Hilfe an, doch ich schätze, alleine werd ich auch nicht gegen die „Schatten“ ankommen...“

Ein Zwerg in Lederrüstung saß hinter einen Krug Bier. Er hatte dem alten Mann kaum zugehört, doch als er etwas von einer Belohnung vernahm, beschloss er, doch näher zu kommen. Der knapp über ein Meter große Zwerg drängte sich also durch die Masse der Menschen, die ihm den Weg versperrten, und hörte gerade noch, dass der Bürgermeister eingetreten war. Er blickte zur Tür, doch die Menschen und sonstigen Wesen, die in der Taverne anwesend waren, versperrten ihm die Sicht. Also ging er in Richtung Tür. Seine eisenbeschlagenen Stiefel waren nicht zu überhören auf dem hölzernen Tavernenboden. Er trug seine Axt über der Schulter, einen Zauberstab mit einem Stein in der anderen Hand und einen Rucksack, an dem unter anderem Seile und eine Trinkflasche baumelten. Als er nach einigen Gedrängel endlich beim Bürgermeister angekommen war, erblickte er verbittert, dass ein Menschenmann beim Bürgermeister stand und diesen auf die "Schatten" ansprach. Aus ist’s mit der Belohnung für mich alleine..., dachte er sich nur. Aber er beschloss, in der Nähe zu bleiben, da er wissen wollte, wie hoch die Belohnung war. Der Mensch beim Bürgermeister sah, wie die Leute zu drängeln begannen und sagte: “Nicht so stürmisch...Wollt Ihr uns vielleicht helfen, die Schatten zu besiegen?“

Die Elbin beendete ihr Spiel abrupt, als sie bemerkte, wie unfreundlich mit einem Mal alle in der Bar wurden. Sie spürte die Angst der Männer und der wenigen Frauen im Raum. Einer der Männer stolperte über seine eigenen Füße und fiel fast über sie. Er drehte sich um und funkelte die junge Silberelbin böse an: "Was erlaubst du dir, du dummes, dürres Weib! Einfach einen Mann zu Fall bringen zu wollen, ich wette, du bist eine dieser Diebinnen und hast meine Geldbörse genommen!" Er suchte seinen Geldbeutel und fand ihn nicht an seinem Platz am Gürtel: "Diebin!" Er erhob seine Hand und ballte sie zur Faust.

Der Zwerg ging zu den beiden Männern, die sich offensichtlich über die Schatten unterhielten, und fragte den Bürgermeister nun, nachdem er lange genug zugehört hatte, wie hoch die Belohnung sei, die für das Ausschalten der "Schatten" bezahlt wurde. Doch bevor dieser antworten konnte, bemerkte er einen schlecht gelaunten Mann, der unfreundlich zu einer Elbin war. Ihn störte das nicht besonders, da er in seinen Leben auch schon von diesem Typ Mensch bezahlt worden war, doch seinem Sitznachbarn schien die Ausstrahlung dieses Mannes nicht zu behagen, dieser bewegte sich von ihm und den Bürgermeister weg. Ach nein, der wird doch keine Schlägerei beginnen, dachte er sich nur.

Der Adlige hörte die lauten Beschimpfungen von der anderen Ecke der Taverne, drehte sich um und sah eine Elbin. Er erkannte sofort, dass sie in Schwierigkeiten steckte. Der Mensch ging hinüber zu dem Mann, der sie bedrohte, und fragte: „Was ist hier los?“ Der Mann beschimpfte die Elbin weiter als Diebin doch der adlige Mensch erkannte schnell, dass er log und die Elbin nichts getan hatte. Er sprach darauf den Mann an: „Ihr lügt! Diese Elbin hat nichts gestohlen, Ihr seid der Gauner!“ Die Silberelbin sagte in ruhigem Ton und mit ihre melodischen Stimme: „Bitte, ich habe Euch Eure Geldbörse nicht genommen, ich bin nur eine Wanderin und brauche Euer Geld nicht. Vielleicht habt Ihr es verloren?“ Sie sah den Mann neben dem Herren, der sie beschuldigte, mit ihren klaren Augen an. „Edler Mensch, wenn Ihr es wünscht, könnt Ihr gerne meine Habe durchsuchen, Ihr werdet nichts finden.“ Der Mensch hörte, wie die Elbin das bestätigte, was er vermutet hatte, doch der Mann wurde nun trotzdem handgreiflich. Der Adlige konnte nicht einfach zuschauen, wie eine Unschuldige belästigt wurde und sagte laut: „Lasst sie in Ruhe!! Sie hat nichts getan!!!“

In der Taverne tauchte auf einmal ein weiterer Mensch aus dem Nichts auf und sprach: „Sucht Ihr dies?“ Er hatte eine Geldbörse in seiner Hand. „Ein kleiner Dieb ist mir über den Weg gelaufen.“ Dabei gab der Magier, der in eine grünen Robe gehüllt war, dem Mann seine Geldbörse zurück. „Das war’s.“ Er ging nun zum Bürgermeister: „Ihr habt etwas von Schatten gesagt? Welche Art von Schatten?“ „Sie sehen wie Tiere aus, aber inzwischen gibt es auch welche die menschliche Gestalt haben- “ der Magier unterbrach ihn: „Tiram ist mein Name. Ich werde das erledigen... Die Belohnung: kein Gold, sondern magische Gegenstände und ich suche sie mir selbst aus.“ Bevor der Bürgermeister etwas dazu sagen konnte, sprach der merkwürdige Magier ein Zauber, verschwand und ließ die verwirrten Gäste zurück.

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copyright Katrin Paech


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